Zeit zum atmen

die wünsch ich mir

 

während einer Vorlesung, die an Langeweile nicht übertroffen werden kann, im Translationsinstiut in Wien, 15. Oktober 2025

 

Wir befinden uns in Tag 3 meiner ersten Vollzeitwoche als Studentin, Arbeitende und Hausfrau. Seit Sonntag habe ich mir keine Mahlzeit mehr gekocht und Sport musste ich jetzt auch erst mal beiseite legen.

 

Nun zur Aufklärung. Die Möchtegern-Michelle arbeitet jetzt 20 Stunden die Woche in einer Redaktion. Jeden Morgen tauche ich dort auf, gerade noch in der Probewoche natürlich, bekomme Pressemails, kämpfe mich durch die tausenden PR-Mitteilungen um ein schönes Thema zu finden, über das ich Knowledge habe und denke es könnte die Leserschaft ansprechen. Ja, wenns so einfach wäre.

 

Gestern schreibe ich insgesamt drei kleine Artikel. Ich werde in das Büro des obersten Chefredakteurs hineingebeten, um ihn diese zu zeigen. Ich gebe ihm meine ausgedruckten Artikel, die über Michelin Keys gehen, die Tui Care Foundation und den Zuwachs eines Kreuzfahrtschiffes von Crystal Cruises. 

 

Ich sitze auf einem viel zu großen beigen Bürostuhl, habe Angst um meine Existenz oder was auch immer.

Mein Kopf denkt sich: ich bin 20 und habe einen Blog. Hab ein relativ gutes Essay im Deutsch Abitur geschrieben und eine 17-seitige Seminararbeit verfasst, die nicht schlecht war. Das wars. Mehr gibts nicht an Erfahrung. Also egal was er sagt Michelle, don't be so hard on yourself und sehe es als Chance dich zu verbessern. Du stehst noch am Anfang. 

 

Wer gedacht hat meine Artikel konnten sich vor unserem Chefredakteur, der Millionär, Verleger, unter den top 50 bekanntesten österreichischen Promis, Roter-Teppich-Gänger, gelegtlicher Fernseher-Auftreter, Rolex-Träger, Schlossbesitzer, Geschäftsmann (die Liste ist solange wie die Pi-Kommastellen) beweisen, möge ganz falsch liegen.

 

Ich saß eine Stunde in seinem Büro. "Jetzt fangen sie bloß nicht an zu weinen". Nein, nein ich habe nicht geweint. Hab mir nachdem er mir sagte ich kann alles nochmal neu schreiben, noch seine Liebes-Geschichten angehört, wie er seine Frau zurückgewann und verschiedenste Lessons for Life die er zu berichten hatte. Der Small Talk mit ihm, alles schön und gut, lies den Fakt aber nicht verschwinden, dass meine Texte in die Tonne gehören.

 

Nun gut. Meine Texte waren scheiße. Wenn ich PR für ein Luxushotel schreiben würde: 10/10. "Wir wollen denen aber nicht in den Arsch kriechen, sondern sachlich und objektiv schreiben". Ups.

 

Ich hatte so geschrieben, wie ich den Blog für euch schreibe. Witzig, unterhaltsam. Ironisch, detailreich. Kurze Sätze, ihr wisst. Manchmal rede ich halt auch um den heißen Brei herum. Und das war genau der Punkt. Hier fein, dort der Tod. 

 

"Kein PR-Gelaber. Kurze Sätze. Fakten, meine Liebe. Warum habe ich sie denn eingestellt? Weil sie die kurzen Sätze so gut drauf haben. Sie haben noch sehr viel zu lernen".

 

Dass ich nicht wusste wie hoch die Inflation in Österreich ist und wie viele Geiseln in Gaza befreit wurden, machten die Sache nicht besser. Trotz allem durfte ich heute meinen ersten selbstverfassten Artikel veröffentlichen!!!!  Und ich bin wirklich sehr stolz darauf. 15.10.2025 um 10:51 Uhr. Wuhuuuu!!!! Den Link dazu gibts gleich, hihi.

Im Voraus: die Leserschaft dieser Mediengruppe ist zwar nicht die Gen Z oder die Millenials, aber das sei mal daneben gestellt. Sachlich und Objektiv heißt mein neues Motto (nur in der Redaktion, keine Sorge)

https://faktum.at/drei-michelin-keys-fuer-althoff-hotel-uebersee/

 

Okidoki. Schauen ma mal was wird. Entweder ich kann mich die nächsten Wochen noch beweisen und ihm zeigen, dass ich das wirklich will (was ich tue) und ich es ultra drauf habe (was ich hoffe) oder ich darf halt wieder gehen. Die Gastro wird mich bestimmt mit offenen Armen empfangen.

Sich beweisen heißt es. Ich habe nichts zu verlieren.

 

So viel zum Zeit zum atmen, wo wenig davon übrig bleibt. Ich stehe um 6:30 Uhr auf und komme um 19 Uhr heim oder stehe um 7:30 Uhr auf und komme um 20:45 heim. Kaffee Pausen sind meine Highlights oder meinen Haferflocken-Chia-Vanille-Skyr, den ich in der Bahn von der Redaktion zur Uni esse und nebenbei noch versuche die aktuellen News zu verfolgen. 

 

Busy Michelle is back

 

Ciao Kakao, grüße gehen raus, bis bald !!

Dank geht an meinen Kreuzfahrtartikel, den unser Chefredakteur in großen Maßen gelobt hatte und aufgrund dessen in mir einen "Rohdiamanten, den man nur schleifen muss" sah und mich als Jungredakteurin einstellte.

Es wird hart aber ich packe das.

Hauptsache ich habe noch Zeit zum Atmen.